…Von „Social Distancing“ merke ich jedenfalls nichts mehr. Dafür sehr viel "Social Aufeinanderhänging", gefolgt von "Social Fighting" und einem geiernden "Social Divorcing" am anderen Ende des Hausflures. Nach Wochen des Homeoffice-mit-Kids-Debakels, kam nämlich ein neues Problem dazu: die "Paarantäne".


Die fühlte sich an, als würde der Mann und ich in Frührente geschickt. Wir hocken aufeinander, in Küche, Bad, Schlaf- und Kinderzimmer, sehen, hören, riechen alles, was man an einem Acht-Stunden-Tag in einem netten, aufgeräumten und krümelfreien Büro so schön ausblenden kann. Was passiert zum Beispiel, wenn die eigentlich gedachte Aufgabenverteilung von 50/50 gar nicht so gegeben ist? Wenn die Geschirrladungen einer vierköpfigen Familie explodieren, ich dreimal am Tag den Geschirrspüler ausräume und klar wird, dass der Mann ("Wo lagen nochmal die Tabs?") es das letzte Mal vor hundert Jahren gemacht hat?

"Wir müssen dem anderen jetzt mehr Raum lassen", sagt der Psychologe Philipp Herzberg von der Helmut-Schmidt-Universität. "Also nicht ständig ins andere Zimmer rennen, dort auch nicht nach dem Ladekabel suchen und auch nicht bitten, mal eben kurz auf die Kinder aufzupassen.“ Und: lieber beim Spaziergang streiten. Bitte was? Was nach einem schlechten Corona-Witz klingt, ist sogar belegt: Man konzentriert sich aufs Laufen, geht nebeneinander, sodass dieses frontal Aggressive verschwindet...

Es sind meistens Extremsituationen, die solche Ungleichheiten ans Tageslicht bringen. Ich meine, ja, er geht mehr einkaufen und ja, er bringt sie jeden zweiten Abend zu Bett. Was aber, wenn der Mann damit seinen Teil der Carearbeit als erledigt sieht - und Bastelnachschub, löchrige Hosen oder Bettwäscheladungen mir überlässt? Dazu Kurzarbeit, die ständige Sorge um die eigenen Eltern - all das gehört zum sogenannten Dichtestress, der in den vergangenen Wochen Paare so richtig zur Weißglut getrieben hat. Was man sonst nur von Tieren kennt, die zusammenpfercht werden, mit Symptomen wie Apathie oder Aggression, lässt sich nun also am homo sapiens beobachten.

"Mehr Toleranz, weniger Nörgeln", schlagen die Ratgeber vor. Wie zur Hölle soll man das denn machen, wenn im Hausflur wochenlang seine miefige Sporttasche herumliegt, mit der ich ihn nun noch bewerfen möchte?

Stellt sich trotzdem die Frage, wie viel Streiten eigentlich okay ist. Die aus der Konfliktforschung bekannte Gottmann-Konstante, benannt nach dem Psychologen John Gottmann, besagt, dass man fünf schöne Dinge erlebt haben sollte, bis einmal die Fetzen fliegen dürfen. Fünf schöne Dinge - muss gerade noch jemand lachen?" Ja, wir streiten jetzt öfters, das müssen wir akzeptieren, sagt Herzberg. Aber eine Konstante sei eine Konstante, auch in Corona-Zeiten. Häufen sich die Konflikte, sollten wir eben die netten Erlebnisse vermehren.

Ah, ja. Wenn jetzt nur nicht die Grundsatzdebatte losgehen würde. Wenn er sich Abend für Abend freut, keinen Freizeitstress mehr zu haben, ich aber seit Wochen ums abendliche Versacken mit Freundinnen trauere. Wenn er seine Kraft aus der intensiven Zeit mit den Kindern zieht, ich Brettspielpanikattacken habe und er mir vorwirft, meine Prioritäten falsch zu setzen. Wie schafft man es da, nicht die ganze Beziehung anzuzweifeln?" ... Ich weiß, das sind alles Priviligiertenprobleme, kein Vergleich zu prekären Familiensituationen, das müssen wir uns viel öfter vor Augen halten."  Am Ende hilft es, sich zu fragen: "Wenn ich mit dem Partner noch länger zusammenrücke, macht mich das fertig oder ziehe ich daraus auch irgendwo Kraft? Gute Frage..."

Quelle: (Alexandra Zykunov, Brigitte-Zeitschrift 06.05.2020)

... und wenngleich ich vermute, dass dauerviral gestresste Hausmannshelden im Moment sowas lieber ungerner lesen mögen: die kleine Glosse von Alexandra Zykunov aus der Brigitte vom 06.05.2020 enthält doch einen mir wertvollen, weil viel universaleren Beziehungstipp: Faktor Fünf von schönen-zu-anstrengenden Beziehungserlebnissen stärken das Immunsystem aller Familienmitglieder, (schmunzel) ... !