Ein hilfreiches Konfliktlösungsmodell nach Marshall B. Rosenberg

Ein Beispiel aus meiner Praxis

Lisa und Robert sind mit dem Auto in den Urlaub aufgebrochen. Da Robert auf Reisen gerne etwas mehr Bargeld in der Tasche hat, fährt er noch rasch zur Bank. Lisa wartet im Auto. Kopfschüttelnd kehrt er mit den Kontoauszügen in der Hand zurück und sagt beim Einsteigen: „Wir haben beide in den letzten vierzehn Tagen vierhundert Euro abgehoben. Wo geht nur unser Geld hin?“ Was Lisa hört, ist: “Was hast du mit dem Geld gemacht?“ „Gar nichts habe ich mit dem Geld gemacht,“ fährt sie Robert an, der die Augen verdreht und gekränkt sagt: „Schnauz mich nicht schon wieder an.“ Die gute Urlaubsstimmung ist dahin. Obwohl sich später relativ leicht klären lässt, wozu das Geld gebraucht wurde, streiten Robert und Lisa als sie in meine Praxis kommen, immer noch darüber, wer Recht hat, mit dem was der Andere gesagt und wie gemeint hat. Beide sind jedoch motiviert ihre Konflikte zukünftig schmerzfreier zu lösen.  

Die Kunst liegt darin, anders als bisher mit der Situation umzugehen. Hier bietet die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg ein sehr gutes Konfliktlösungsmodell. Ich bitte Robert und Lisa zunächst in sich hinein zu spüren, wie es ihnen geht und dies mitzuteilen, ohne den Partner dabei zu beschuldigen, zu kritisieren, zu verurteilen oder eine Forderung zu stellen. Dies fällt beiden ziemlich schwer.

Als sehr hilfreich erleben sie, ihren Konflikt nach den 5 Schritten der Gewaltfreien Kommunikation zu klären. Hier die fünf Schritte der „GfK“ in Anlehnung an das Buch: Giraffentango - Selbstbewusste Kommunikation  in der Partnerschaft von Serena Rust.

1. Beobachtung

„Was ist gerade passiert?“

Eine Beobachtung ist das, was eine Kamera oder ein Mikrophon aufzeichnen kann. Eine Beobachtung ist frei von Bewertungen oder Interpretationen. Der Satz „Wir haben beide in den letzten vierzehn Tagen vierhundert Euro abgehoben“ ist eine Beobachtung, während „Du hast schon wieder vierhundert Euro abgehoben“, eine Bewertung wäre.

2. Denken

„Wie deute ich das, was geschehen ist? Wie möchte ich es deuten?“

Lisa erzählt in der Paarsitzung: „Die Frage von Robert habe sie als Aufforderung verstanden, sich zu rechtfertigen.“

3. Gefühle

„Welche Gefühle löst das in mir aus?“

Lisa: Roberts Frage hat ein Gefühl von Druck in mir ausgelöst. Ich bin recht sparsam und kann gut mit Geld umgehen. Daher hat es mich völlig gestresst und geärgert als mir nicht sofort einfiel, was ich alles gekauft  habe. Am nächsten Tag habe ich beim Bezahlen gesehen, dass ich ja noch zweihundert von den vierhundert Euro im Portemonnaie hatte.

4. Bedürfnis

„Was brauche ich?  Was brauchst Du?

Hinter jedem Gefühl steht ein Bedürfnis - eines das erfüllt oder nicht erfüllt wurde. Robert kann jetzt sagen: Ich war irritiert darüber, dass wir bereits vor dem Urlaub Achthundert Euro ausgegeben haben. Ich hatte das Bedürfnis nach Klarheit. Noch wichtiger ist mir jedoch mein Bedürfnis nach Harmonie mit Lisa. Wir haben in letzter Zeit so oft gestritten. Lisa kann jetzt sagen: „Ich war einfach verunsichert und ärgerlich, weil mir ein guter Überblick über unsere Finanzen wichtig ist. Das erfüllt mein Bedürfnis nach Sicherheit.

5. Bitte

„Was wünsche ich mir jetzt konkret von dir? Und du dir von mir?“

Wichtig ist die Bitte so konkret wie möglich zu formulieren und möglichst mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen in Verbindung bringen.
Lisa möchte das gleich ausprobieren und sagt: „Ich fühle mich gerade ziemlich unter Druck, weil mir so spontan gar nicht einfällt, wofür ich alles Geld ausgegeben habe. Das ärgert mich. Ich brauche Zeit und Ruhe, um mich zu sammeln. Ist es okay, wenn wir Morgen nach dem Frühstück  beide zusammentragen, wofür wir Geld ausgegeben haben? “

„Die Ursache vieler Missverständnisse liegt in der Differenz zwischen dem, was jemand sagt, und dem was ich höre. Manchmal fängt das schon auf der akustischen Ebene an. Gibt es bei dem angesprochenen Thema eine empfindliche Stelle, kann sich ein kleiner Zündfunke schnell zum Flächenbrand ausweiten.“